Naturdenkmal und Gerichtsstätte Femeiche
Die Femeiche ist die überregional bekannteste Sehenswürdigkeit von Erle. Bei dem Baum handelt es sich um eine Stieleiche (quercus robur). Ihr Alter kann mittels historischer Angaben zu Umfang, Durchmesser und Hohlraum grob auf ca. 800 bis 1100 Jahre geschätzt werden. Sie ist damit einer der ältesten Bäume Deutschlands. Am 30. 10. 2021 wurde die Femeiche von der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft zum „Nationalerbe-Baum“ ausgerufen.

Alte heidnische Bezeichnungen wie „Ravenseiche“ für den Baum oder „Assenkamp“ für die Umgebung könnten Hinweise darauf sein, dass der Baum oder ein Vorgängerbaum schon vor der Christianisierung im 9. Jahrhundert die Tradition einer germanischen Kultstätte hatte. Denn „Ravenseiche“ deutet darauf hin, dass der Baum dem höchsten germanischen Gott Wotan (Odin) mit seinen Raben geweiht war. Die Bezeichnung „Assenkamp“ weist auf das germanische Göttergeschlecht der Asen hin. Viele Fachleute halten heute ein Alter des Baumes von wesentlich mehr als 1000 Jahre für unwahrscheinlich.


Erhaltungsmaßnahmen
Von dem einst mächtigen Baum sind heute nur noch „Bruchstücke“ vorhanden. Um 1750 war die Eiche noch relativ vollholzig. Doch nach und nach drang Wasser in den Stamm ein, zersetzten Pilze das Kernholz und es entstand allmählich eine Höhlung. Bei Stürmen brachen Teile der Krone ab. Der Baum hat deshalb seit ca. 250 Jahren seine Krone „zurückgezogen“, d. h. seine Höhe zurückgebaut, so dass sich die Transportwege für das Wasser von den Wurzeln zur Krone und für den Zucker von den Blättern zu den Wurzeln verkürzten.Etwa um 1800 entfernte man das morsche Holz aus dem Stamm, so dass ein großer Hohlraum entstand, durch den das Innere des Baumes betreten werden konnte.
Das Ausmaß des Hohlraums wird durch folgende geschichtlich belegte Begebenheiten deutlich: Während eines Manövers im Jahre 1819 ließ der Kronprinz und spätere König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 36 Infanteristen in marschmäßiger Ausrüstung in der Eiche Aufstellung nehmen. 1851 speiste der Bischof von Münster mit elf seiner Geistlichen an einem runden Tisch im Innern der Eiche.
Durch Schrägwuchs ist der Baum stark nach Südwesten geneigt. Um ein Umstürzen zu vermeiden, wurde er 1883 zum ersten Mal abgestützt. Heute halten ihn 10 Stützen aufrecht. Später brachte man zwei Eisenringe an, um die Stammteile zusammenzuhalten. Der letzte Ring wurde 1965 entfernt, weil er die Saftbahnen abschnürte. Seitdem halten mehrere Stahlrohre die Mantelfragmente zusammen. Durch einen Baumpfleger wurde die Wurzeln untersucht und der Pilzbefall bekämpft. Es erfolgen seither regelmäßige Düngungen und Belüftungen des Wurzelwerkes. Im April 1994 wurde zum Schutz des Baumes eine Einzäunung errichtet.
Das Femegericht
Unter der Eiche tagte im Mittelalter das geheime Femegericht (Feme = Gericht, Strafe). In Urkunden wurde es „den vryen stoel tum Assenkampe“ genannt. Femegerichte waren in dieser Zeit besonders in Westfalen verbreitet. Sie urteilten über Schwerverbrechen wie Mord, Raub, Brandstiftung und Meineid, welche bei Schuldspruch die Todesstrafe durch den Strang nach sich zogen. Die Femegerichte richteten unter Königsbann (dem Recht des Königs). Die Erzbischöfe von Köln hatten seit 1422 als Reichsstatthalter die Aufsichtsbefugnis über die Feme. Inhaber der einzelnen Gerichtsbezirke, d. h. einer oder mehrerer Freigrafschaften, waren die Stuhlherren. Diese waren oft Landesherren, die die Freigrafschaft ganz oder in Teilen an Lehnsträger weitergeben konnten. Zu einer Freigrafschaft gehörten mehrere Freistühle, an denen ein Femegericht zusammentrat. Der Vorsitzende, der Freigraf, wurde auf Vorschlag des Stuhlherrn vom König bzw. Erzbischof ernannt und nach Leisten eines Eides mit dem Gerichtsbann belehnt. Die den Freigrafen umgebenden Richter waren die Freischöffen, die aus Erle und umliegenden Dörfern kamen und deren Zahl nicht festgelegt war. Die Gerichtsverhandlungen des Femegerichts waren nicht öffentlich. (Siehe die steinerne Nachbildung eines Femegerichtes und die Geschichtstafel über die Femegerichtsbarkeit an der Femeiche)
Der Erler Freistuhl unterstand ursprünglich dem Stuhlherrn von Heiden, der 1335 den südlichen Teil seiner Freigrafschaft mit Erle an den Grafen von Cleve verpfändete. 1375 war der Raesfelder Burgherr Inhaber dieser Freigrafschaft. Der Freigraf Bernt de Duiker verfemte hier im Jahre 1441 Gert van Diepenbrock und zwei seiner Knechte wegen zweifachen Schöffenmordes und erklärte sie in Abwesenheit als vogelfrei.
Aus der Spätphase des Freigerichts sind auch notarielle Verfahren bekannt, z. B. Eigentumsübertragungen und Erbverzichtserklärungen. Das letzte Dokument des Erler Femegerichts stammt von 1572. Mit Beginn der Neuzeit übernahmen an Universitäten ausgebildete professionelle Richter als landesherrliche Amtsleute nach und nach die Rechtssprechung. Den Laienrichtern der Femegerichtsbarkeit verblieben nur noch die Ahndung geringfügiger Vergehen und die Regelung von Streitigkeiten.
Gerichtsskulptur
Um die Femeiche als historischen Ort westfälischer Rechtsprechung in Erinnerung zu halten, hat der Heimatverein Erle im Jahre 2006 mit Findlingen das „Femegericht“ nachgestellt.Auf dem Richtertisch liegen als Insignien des Freigrafen ein Schwert und ein Strick aus Bronze. Davor sind Steine aufgestellt, in die die Namen urkundlich bekannter Erler Freischöffen eingraviert sind. Heute führt der Heimatverein Erle an dieser Stelle zu besonderen Anlässen die Femegerichtsverhandlung von 1441 als szenische Darstellung auf.

Femeichenausstellung
Eine umfassende Ausstellung über die Femeiche ist im Heimathaus in Erle, Silvesterstraße 5, zu sehen. Die Themen der 21 Ausstellungstafeln umfassen u. a. folgende Bereiche: das Alter des Baumes, die Entwicklung der Femegerichtsbarkeit, der Freistuhl an der Erler Femeiche, der Femeprozess von 1441, die Nachwirkungen der Feme in Literatur, Kunst und Politik, berühmte Besucher an der Femeiche, die Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen, Funk- und Fernsehen an der Eiche, Gedichte über die Eiche. Die Ausstellung ist jeden ersten Sonntag im Monat von 15.00 – 17.00 Uhr geöffnet. Es finden Führungen statt. Von April bis September beginnen sie Führungen an der Femeiche. Durch den Ortskern geht es dann ins nahegelegene Heimathaus zur Ausstellung.