Auf dem jüdischen Friedhof in der Nähe der Erler Mühle fanden sich am Sonntagmorgen (10.11.2024) 22 Erlerinnen und Erler ein, um sich am Tag der Reichspogromnacht vom 9. auf dem 10.11.1938 an das traurige Schicksal der jüdischen Famile Cahn zu erinnern.
Carlo Behler berichtete über die Geschichte der Familie Cahn, die 1824 in Erle heimisch wurde und deren Geschichte auf der Geschichtstafel am Friedhof dokumentiert ist. Als letzter der Familie wurde Levi Cahn im März 1933 kurz nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler noch mit allen Ehren auf dem Friedhof bestattet. Seine Tochter Adele, die mit einem christlichen Deutschen in „privilegierter Mischehe“ verheiratet war, überlebte die Kriegszeit versteckt am Niederrhein und Tochter Erna konnte mit ihrem jüdischen Mann noch 1938 nach Südafrika auswandern.
In der Reichspogramnacht 1938, in der viele Synagogen in Flammen aufgingen, jüdische Geschäfte und Wohnungen verwüstet und geplündert, viele Juden misshandelt und 90 getötet wurden, soll auch das Cahnsche Haus am Höltingswall 5 in Erle beschädigt worden sein. Die jüngste Tochter Else, die mit ihrer pflegebedüftigen Mutter noch in Erle wohnte, heiratete Ende 1938 Hugo Schönbach und zog mit ihrer Mutter in das Haus ihres Mannes nach Schermbeck, wo ihre Mutter 1940 verstarb.
Hugo und Else Schönbach und ihre zweijährige Tochter Miriam wurden am 15.12.1942 mit einem Deportationszug ab Hannover in das Ghetto nach Riga deportiert. Dort verliert sich ihre Spur. Vermutlich sind sie noch in Riga ermordet worden. Im Dokumentationszentrum in Riga finden sich ihre Namen auf der endlosen Namensliste des Zuges ab Hannover.
Anschließend las Carlo Behler aus dem Artikel „Erinnerungen an Else Cahn“ eine Passage vor, in dem die Erlerin Dr. Elisabeth Schwane (* 1920 +2015) sich in bewegenden Worten an eine Begegnung mit ihrer ehemaligen Nachbarin Else Cahn im Jahre 1941 in einem Nahverkehrszug erinnert. Das Gespräch zwischen ihnen verstummte, weil sich feindselige Blicke auf sie richteten; denn zu dem Zeitpunkt war es schon verboten, mit Juden überhaupt zu reden. Frau Schwane wirft sich aus heutiger Sicht vor, Else Cahn nicht mutiger beigestanden zu haben. Neben der Geschichtstafel am jüdischen Friedhof erinnert auch ein Straßennahme im Ortskern an Else Cahn.
Danach las Ingrid Horstmann das Friedensgebet von Papst Franziskus vor, das um Versöhnung und Frieden zwischen verfeindeten Ländern und Gesellschaftsgruppen und für eine menschenwürdige Welt ohne Hunger und Armut, ohne Gewalt und Krieg bittet. Zum Abschluss sangen die Teilnehmer das Lied „Herr, gib uns deinen Frieden“ und legten auf dem Grabmal und den Gräbern der Familie Cahn nach jüdischer Sitte Steine nieder.